Die erste Million ist die schwierigste, aber die schönste. Sie denken: Erfolg ist großartig. Erfolg macht Sinn! Die zweite Million kommt meistens wesentlich schneller als die erste, aber ist nicht mehr ganz so befriedigend. Die dritte Million …

So sagt man jedenfalls. Dahinter steckt das ökonomische Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Der Grenznutzen ist der Nutzen, der durch zusätzlichen Konsum eines Gutes zum bereits bestehenden Nutzen hinzukommt.

 

Der Sinn des Biertrinkens

Einfachstes Beispiel: Sie trinken ein Bier mit ordentlich Durst und Vergnügen. Das zischt, das schmeckt, das läuft wie von selbst die Kehle hinunter. Das zweite Bier ist auch ganz okay. Das dritte allerdings ist irgendwie nicht mehr ganz so süffig. Es schmeckt auch nicht mehr so gut wie das erste. Und hinter der Stirn tauchen die ersten Nebelschwaden auf, die Zunge bewegt sich beim Sprechen nicht mehr ganz so geschmeidig und der Erdboden schwankt ganz leicht beim Gang zur Toilette. Aber noch ist das alles ganz lustig. Beim vierten Bier allerdings ist der Zuwachs an Lebensfreude gegenüber den ersten Schlucken ganz klar geringer. Und wenn Sie jetzt weitertrinken, tendiert der Grenznutzen eben gegen null. Oder wird gar negativ.

Die Frage ist: Wie ist das mit dem abnehmenden Grenznutzen beim Einkommen, beim Vermögen und insgesamt beim Erfolg? Stellt sich da auch irgendwann automatisch eine Sättigung ein? Ist es irgendwann genug? Und wie kann man eigentlich herausfinden, wann genug genug ist?

Der ehemalige Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs, Alexander Dibelius, soll angeblich gesagt haben: „Geld hat für mich keinen abnehmenden Grenznutzen.“

Wir sind nun beileibe nicht so reich wie Dibelius und wollen uns auch gar nicht mit ihm vergleichen. Aber für unsere bescheidenen Verhältnisse sind wir durchaus erfolgreich und haben uns gerade deshalb mehr als einmal die Frage gestellt: Wollen wir noch mehr? Macht es immer noch Spaß? Wollen wir das alles noch größer machen? Und warum?

 

Pyrrhussiege

Es gibt an dieser Sache zwei Haken.

Der erste Haken daran ist: Erfolgreiche Unternehmer und Führungskräfte sind ja meistens gerade deswegen erfolgreich, weil sie hartnäckig und ausdauernd sind – also im Klartext: Sie bleiben auch dann am Ball, wenn es gerade mal keinen großen Spaß macht. Sie sind es gewohnt zu beißen, Sie haben einen langen Atem. Und gerade diese eigentlich so positive Eigenschaft verhindert, dass sie auf die ersten Signale hören, dass es langsam eben genug ist und sie sich eine neue, vielleicht ganz andere Herausforderung suchen sollten.

Und so buckeln und ackern sie immer weiter, bis sie überhaupt keine Freude mehr daran haben und nur noch mit preußischem Pflichtbewusstsein oder mit der Sucht nach Geld, Erfolg und Anerkennung arbeiten. Spätestens dann ist ihr Erfolg zum Zwang und zum Fluch geworden, der sie möglicherweise die Gesundheit, die Paarbeziehung oder sogar das Leben kostet.

Der zweite Haken: Sie können an der Frage, ob es so langsam genug ist, viel herumkauen und hin und her überlegen, aber Sie werden nicht wirklich herausfinden, wo die Nutzenschwelle ist. Sie müssen es einfach ausprobieren.

 

Der wahre Erfolg

Das einzige, was wir Ihnen raten können: Akzeptieren Sie, dass es bei allem, wonach Sie streben, dieses Gesetz des abnehmenden Grenznutzens gibt. Und hören Sie dann auf die ersten Anzeichen, die frühen Signale. Glauben Sie nicht einfach nur daran, dass es eine vorübergehende Phase ist und dass sich das Glücksgefühl der ersten Erfolge schon wieder einstellen wird. Denn möglicherweise ist das ein Trugschluss für den Rest Ihres Lebens.

Unserer Erfahrung nach haben nur ganz wenige Menschen das Glück, eine Tätigkeit gefunden zu haben, die sie so ausfüllt wie den 80-jährigen Restaurator, den wir neulich getroffen haben und der uns sehr beeindruckt hat. Obwohl er gar nicht mehr arbeiten müsste, hat er noch immer eine kleine Werkstatt, in der er Stuckarbeiten restauriert. Und er ist sehr, sehr glücklich dabei, das strahlt er mit jeder Bewegung aus. In diesem Fall und vielleicht generell gilt: Geld, Erfolg, Anerkennung mögen einen abnehmenden Grenznutzen haben – Sinn aber nicht!