Die Arbeitsdokumente kommen aus der Cloud, die Bauteile vom vollautomatisierten Hochregal, der Bestellprozess beim Zulieferer ist komplett digitalisiert, die Informationen kommen aus der Big Data Analyse, der Drucker bestellt Tinte selbst und die Konferenz findet im firmeninternen Chat statt.

Auf dem Weg nach Hause fragt sich Ihr Mitarbeiter: „Wann habe ich eigentlich zuletzt einen meiner Kollegen getroffen?“

Na gut, wir geben es zu: Soweit ist es noch nicht und wir wollen beileibe nicht gegen den Fortschritt argumentieren. ABER … in den Zeiten des Internet der Dinge und der Industrie 4.0 verändert die Digitalisierung die Unternehmen teilweise wirklich grundlegend. Die Mitarbeiter überwachen die Prozesse mehr, als dass sie sie noch selbst durchführen – und werden selbst überwacht von allerlei Apps und Sensoren. Im Privatleben geht es dann gerade so weiter.

Denn zurück vom Büro zu Hause wird das neue Auto per Konfigurierungs-App bestellt, Verabredungen werden über WhatsApp vereinbart, was die Freunde am Wochenende gemacht haben, erfahren Sie über Facebook und die Werbung flutet Ihren elektronischen Briefkasten.

Die Digitalisierung ist bereits so weit vorgedrungen, dass es manche Produkte bald gar nicht mehr ohne sie gibt. Simone wollte neulich eine elektrische Zahnbürste kaufen und fand fast nur noch Bluetooth-Modelle, die einem über das Smartphone sagen, wo und wie lange noch geputzt werden muss.

Zwei Welten – Unternehmen und Privatleben – ein Phänomen: Wie in der Intensivmedizin ist der Mensch zunehmend verdrahtet und kontrolliert. Da sollte sich jeder Unternehmer fragen, ob das wirklich das Richtige für sein Unternehmen ist.

Wenn Sie kopflos dem Digitalisierungstrend hinterher laufen, kann das nämlich gefährlich sein. Prinzipiell ist zum Beispiel die Digitalisierung von Arbeitsprozessen die logische Weiterentwicklung der standardisierten Arbeitsprozesse. Die Gefahr dabei ist, dass Standardisierung und Digitalisierung auf der anderen Seite den Prozess unflexibel und unkreativ machen. Da müssen Sie sich gut überlegen, ob das sinnvoll ist oder nicht.

Ebenso bei Ihren Produkten: Digitalisieren Sie die womöglich nur, weil Sie Angst haben, dass der Zug sonst ohne Sie abfährt, weil die Konkurrenten ihre Produkte bereits digitalisiert haben? Wenn dabei jedoch die Produkte in den Augen Ihrer Kunden gar nicht aufgewertet werden, haben Sie am Ende womöglich viel Geld für eine unnötige Entwicklung ausgegeben. Denn das digitalisierte Produkt müsste ja dann auch mehr kosten. Aber ohne klaren Mehrwert wollen die Kunden sicher nicht mehr dafür ausgeben.

Wir fragen uns in unserem Unternehmen deshalb immer wieder: Machen wir Digitalisierung, weil es etwas bringt, oder nur, weil es alle machen? Kommen wir zu dem Schluss, dass es nichts bringt, lassen wir es, auch wenn es alle anderen machen.

Also bleibt der beste Ratgeber Ihr gesunder Menschenverstand. Der Kern Ihres Unternehmens ist die Innovation. Digitalisierung macht als solche nur Sinn, wenn Ihr Unternehmen oder Ihr Kunde einen Nutzen davon hat. Zentral sind die Qualität Ihrer Produkte und Ihres Service. Hilft eine Digitalisierung, die Arbeitsprozesse flüssiger, schneller oder ressourcenschonender zu gestalten oder die Qualität der Produkte zu erhöhen, ist sie sinnvoll. Alles andere ist „Digital Overkill“.

Eventuell ist ja der Anruf beim Zulieferer der schnellere oder reibungslosere Weg für die Materialbestellung. Vielleicht ist für ein Problem ja schneller eine Lösung gefunden, wenn Ihr Mitarbeiter seinen Kollegen in seinem Büro besucht, statt in der Verwaltungssoftware einen Problemlöseprozess anzustoßen.

Also: Fortschritt und Weiterentwicklung, ja! Aber nicht kopflos dem Digitalisierungswahn verfallen. Sonst brauchen Sie oder Ihr Unternehmen vielleicht doch bald die Intensivmedizin.